BAG: Lockdown begründet keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn
- von Morgen & Partner
- 9. Feb. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Apr. 2024
Im Oktober 2021 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass eine Arbeitnehmerin im Fall einer staatlich verfügten vorübergehenden Betriebsschließung aufgrund eines Lockdowns in der Corona-Pandemie keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegen die Arbeitgeberin hat. Im konkreten Fall fiel die Betriebsschließung nicht unter das Betriebsrisiko der Arbeitgeberin.
Anlass war die Klage einer geringfügig Beschäftigten in einem Nähmaschinengeschäft. Dieses musste im Zuge des ersten Lockdowns im April 2020 per Allgemeinverfügung des Landes Bremen schließen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und wurde auch nicht bezahlt. Daraufhin forderte sie die Zahlung des verpassten Monatsgehalts und berief sich zur Begründung auf den Annahmeverzug der Arbeitgeberin. Sie verwies auf das von der Arbeitgeberin gemäß § 615 BGB zu tragende Betriebsrisiko, das sich hier durch die allgemeinverfügte Betriebsschließung verwirklicht habe. Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung mit der Begründung, hier hätte sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht.
In den Vorinstanzen bekam die Arbeitnehmerin Recht. Das BAG wiederum verwarf die vorangegangen Entscheidungen zu Gunsten der Arbeitgeberin, mit folgender Begründung:
Grundsätzlich gehören auch äußere Einflüsse zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Dafür nennt das BAG u.a. einen Zement- und Baustoffhandel als Beispiel, der seinen Betrieb witterungsbedingt einstellen muss. Gleichgelagert sei auch der Fall einer Betriebsschließung wegen eines Stromausfalls. In einer solchen Situation behalten die Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch gemäß § 615 BGB.
Bei pandemiebedingten Schließungen differenziert das BAG zwischen verschiedenen Fallkonstellationen:
Schließt der Arbeitgeber den Betrieb aus eigener Entscheidung heraus, etwa weil es zu viele krankheitsbedingte Ausfälle gibt, oder weil er das Gesundheitsrisiko als zu hoch einstuft, fällt das in die Risikosphäre des Arbeitgebers.
Wird ein Betrieb aufgrund einer staatlichen Anordnung geschlossen, differenziert das BAG weiter: o Ergeht die Schließverfügung, weil der Arbeitgeber sein Geschäft derartig führt, dass ein erhöhtes allgemeines Infektionsrisiko besteht (Saisonarbeiter, Schlachtbetriebe), dann verwirklicht sich das Risiko der vom Arbeitgeber beeinflussbaren Betriebsorganisation. o Der Arbeitgeber trägt dagegen nicht das Risiko einer staatlich angeordneten Betriebsschließung, wenn diese im Rahmen allgemeiner Maßnahmen ergeht. Wenn die Betriebsschließung im Rahmen allgemeiner Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erfolge, so realisiere sich gerade nicht ein im Betrieb angelegtes Risiko.
Wenn eine Schließung, wie im vorliegenden Fall, nicht unter das Betriebsrisiko fällt, sei es Sache des Staates für einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die betroffenen Beschäftigten zu sorgen. Dabei sei unerheblich, ob der Staat auch tatsächlich für Ausgleich sorgt. Wenn, wie hier, geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld o.Ä. haben, dann liege das an Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Das begründe jedoch keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber.
BAG, Urteil vom 13.10.2021 - 5 AZR 211/21 - 5 AZR 211/21 - Das Bundesarbeitsgericht
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